Tierexportschiff aus Frankreich darf in Algerien nicht entladen: 780 Jungbullen notgetötet
Freiburg, 30.09.2022. Jungbullen sollten zur Schlachtung aus Frankreich nach Algerien exportiert werden. Dort wurde die Entladung wegen fehlerhafter Gesundheitszertifikate und den damit verbundenen Gesundheitsrisiken verweigert. Drei Wochen dauerte das Hin und Her der Behörden. Die Bullen waren währenddessen auf dem Schiff, wurden dann zurück nach Frankreich gebracht und dort notgetötet. Tierschutzorganisationen wie die Animal Welfare Foundation (AWF) hatten versucht, das Unglück abzuwenden.
Am 2. September legte das Tiertransportschiff Nader-A mit 780 Jungbullen von Sète ab. Sie wurde 1977 gebaut und 2013 zum Tiertransportschiff umgebaut. Bei der Ankunft in Algier zwei Tage später verweigerten die Behörden die Entladung, da aus den Dokumenten dreier Tiere nicht eindeutig hervorging, ob sie gegen Infektiöse Bovine Rhinotracheitis (IBR) geimpft waren. Für Menschen ist die Tierseuche ungefährlich. Die Nader-A blieb daraufhin im Hafen. Animal Welfare Foundation und weitere europäische Tierschutzorganisationen informierten den französischen Landwirtschaftsminister, die Kommissarin für Gesundheit der Europäischen Kommission und die Weltorganisation für Tiergesundheit. Unklar, wie es weitergehen sollte, lag die Nader-A zwei Wochen im Hafen von Algier. Dann verließ das Schiff den Hafen Richtung Sète, wo sie am 23. September anlegte.
Auch ein Reimport nach Frankreich war aus Seuchenschutzgründen nicht möglich. Die Tiere waren mit Heu aus Algerien gefüttert worden. Dort grassiert die Maul- und Klauenseuche. Am 24. September wurden alle Jungbullen in Frankreich getötet und später verbrannt.
Hätte die Nottötung verhindert werden können?
Tierexporte per Schiff werden mit knappen Zeit- und Geldressourcen geplant, um die Gewinnspannen hochzuhalten. Wegen katastrophaler Bedingungen auf den Schiffen werden aus scheinbar kleinen Problemen oft schwerwiegende. Grund sind mangelhafte Kontrollen beim Verladen. Gelangen verletzte oder schwache Tiere aufs Schiff, sind das die ersten, die Transportverzögerungen nicht überleben. Auf den Schiffen gibt es keine Veterinärmediziner*innen, die in Notfällen eingreifen könnten. Wenn unvorhergesehene Schwierigkeiten auftreten, wie in diesem Fall, mangelt es an Futter und die ohnehin schlechte Luftqualität verschlimmert sich durch zunehmend anfallende Exkremente.
Da Transportkontrollen am Hafen kaum und an Bord gar nicht stattfinden, mangelt es an Daten über kranke, verletzte, schwache und tote Tiere. Auch in diesem Fall starben mehrere Tiere auf dem Schiff. Mit gründlicheren Kontrollen vor dem Verladen hätte das Kontrollversagen mit den Impfdokumenten auf der Nader-A vorab verhindert werden können. Die Behörden haben versagt.
Kein französisches, sondern ein europäisches Problem
Woher die Tiere an Bord der Nader-A stammen, ist noch unklar. Männliche Kälber aus der Milchindustrie werden aus ganz Europa in Länder mit Exporthäfen transportiert und von dort zur Schlachtung in Drittländer. Dabei ereignen sich jedes Jahr Fälle wie dieser. 2021 wurden 2.600 Rinder und Kälber nach drei Monaten Irrfahrt auf dem Mittelmeer notgetötet.
Fehlende Notfallpläne und die mangelhafte Umsetzung der geltenden Rechtsvorschriften werden auch in Zukunft zu Katastrophen führen. Tierschutzorganisationen wie die Animal Welfare Foundation fordern ein Ende von Tierexporten in Drittländer.
2023 wird sich zeigen, ob die Katastrophen für ein Umdenken reichen: Dann stellt die Europäische Kommission eine überarbeitete Version der geltenden Tierschutztransportverordnung (EG) Nr. 1/2005.