06. August 2021

Rechtsgutachten: PMSG-Gewinnung im Haflinger-Gestüt Meura ist rechtswidrig

Scheinheilig: Postkartenidylle als Fassade für ein blutiges Geschäft.

PMSG: Fruchtbarkeitsbooster in der Ferkelproduktion

Als wir 2019 die PMSG-Gewinnung im thüringischen Haflinger-Gestüt Meura aufgedeckten, haben wir die Bundesregierung um eine Stellungnahme gebeten. Wir wollten wissen, ob die Blutentnahme bei trächtigen Stuten in Deutschland rechtmäßig ist. Die Antwort war eindeutig: Dies sei als Tierversuch einzustufen. Für die Genehmigung seien die Landesbehörden zuständig. Ganz anders die Aussage des thüringischen Ministeriums (TMASGFF). Es vertrat die Meinung, dass die Serumgewinnung für die Produktion eines Wirkstoffes kein Tierversuch sei und damit auch nicht genehmigungspflichtig wäre.

Nach mehreren Beschwerdebriefen und Anfragen haben sich das Ministerium und das zuständige Landesamt inzwischen umentschieden. Das, was im Gestüt Meura gemacht würde, sei nun doch ein Tierversuch. Rechtzeitig zum Start der Blutentnahmesaison wurde ohne weitergehende Prüfung die Erlaubnis erteilt, weitere fünf Jahre trächtigen Stuten Blut abzuzapfen.

Wir haben den auf Pharmarecht spezialisierten Freiburger Anwalt Lutz Schäffer gebeten, ein Rechtsgutachten zu erstellen. Dieses kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Die Blutentnahmen zur Herstellung des Hormons PMSG im Haflinger-Gestüt Meura sind rechtswidrig. Aus mehreren Gründen, zwei Beispiele:

  1. Die entnommene Blutmenge und die Häufigkeit der Blutentnahmen verstoßen gegen die Leitlinien zur Gewinnung von Blut und Blutprodukten um ein Vielfaches. Diese verbieten grundsätzlich die Blutentnahme bei trächtigen Stuten.
  2. Ein Tierversuch muss die Voraussetzung der Unerlässlichkeit erfüllen. Laut Bundesregierung gibt es am Markt 36 synthetische Alternativen. Damit ist die PMSG-Gewinnung nicht notwendig.

Für Gestütsinhaberin Anke Sendig ist es scheinbar egal, auf welcher rechtlichen Basis sie ihrem einträglichen Geschäft nachgehen kann. Auf ihrer Internetseite (Stand 6.8.2021) ist zu lesen:

"Weil das auf diesem Weg gewonnene Plasma ein Rohstoff für die Herstellung tierischer Arzneimittel ist, nicht aber der wissenschaftlichen Forschung dient, handelt es sich ... nicht um einen Tierversuch. Da vereinzelt aber auch andere Auffassungen vertreten werden [Anm. Red.: z. B. durch Bundesregierung], haben wir uns Anfang 2020 ... entschlossen, die bei uns durchgeführte Plasmagewinnung… [Anm. Red.: als Tierversuch] anzumelden."

Auf der Internetseite (Stand 4.11.2020) wird Frau Sendig noch deutlicher: "Die Plasmagewinnung … ist aus unserer Sicht nicht als Tierversuch einzustufen (es liegt kein Erkenntnisgewinn vor) ..."

Das heißt nichts anderes als: Hauptsache, das Geschäft geht weiter. Und die thüringischen Behörden spielen mit.
Wir gehen juristisch und politisch gegen diese Willkür-Genehmigungspraxis und unnötigen "Tierversuche" vor. 

Artikel Lutz Schäffer in VETimpulse (PDF)

Rechtsgutachten (PDF)