20. Februar 2016

EU-Kommission und Mitgliedsstaaten dulden systematische Rechtsverstösse

EU-Tierexporte in Drittstaaten
TSB Zürich und AWF fordern Exportverbot für lebende Tiere

Zürich, Frankfurt, 20.02.2016. 900‘000 Schafe, 850'000 Rinder und 5'000 Ziegen wurden im Zeitraum 2010 bis 2015 aus der EU in die Türkei exportiert. Für 2016 rechnet die EU mit einem weiteren Anstieg der Exporte. Der Tierschutzbund Zürich, die Animal Welfare Foundation (Deutschland) und Eyes on Animals (Niederlande) haben in diesem Zeitraum am türkischen Grenzübergang Kapikule Tiertransportkontrollen durchgeführt. Das Ergebnis dieser ersten Langzeituntersuchung beschreibt gravierende Missstände. 70 % der kontrollierten Tiertransporte verstossen gegen die EU-Tiertransportverordnung 1/2005. Die EU sieht tatenlos zu, die Mitgliedsstaaten genehmigen die systematische Tierquälerei.

Auf rund 1000 Seiten sind die Ergebnisse der Tiertransportkontrollen an der türkischen Grenze in Kapikule zusammengefasst. Insgesamt wurden 352 Tiertransporter kontrolliert, bei 247 von ihnen wurden ein oder mehrere Verstösse gegen die EU-Tiertransportverordnung festgestellt. «Es sind keine zufälligen Vorkommnisse einzelner Transportfirmen, sondern systematische Verstösse. Keines der 13 EU-Länder, aus denen die Tiere kommen, hat eine weisse Weste», kritisiert Iris Baumgärtner, TSB|AWF Projektleiterin, und begründet dies u.a. damit, dass unter den Augen der EU die Mitgliedsstaaten dem politischen Willen ihrer Regierungen folgen, den Binnenmarkt von überzähligen Tieren zu befreien. Nach einer Exportsteigerung von 39 % im Jahr 2015 gegenüber 2014, rechnet die EU für 2016 mit einem weiteren Anstieg der Tierexporte in die Türkei. «Unsere fünf-Jahres-Recherche gibt keinen Hinweis darauf, dass irgendwelche Massnahmen getroffen wurden, eine Infrastruktur für diesen Handel zu schaffen», kritisiert Iris Baumgärtner. «So fehlen zum Beispiel Entlade- und Versorgungsställe. Nach Grenzübertritt hat die EU keine Möglichkeit mehr, die Tiertransporte zu kontrollieren und bei Verstössen zu sanktionieren, sie verhält sich machtlos, obwohl sie den illegalen Handel stoppen könnte».

Die Tierschutzorganisationen werfen der EU und den Mitgliedsstaaten vor, die Qualtransporte trotz systematischer Rechtsverstösse aus wirtschaftlichen Interessen zu dulden und abzufertigen. «Der Handel ist gewollt, die Folgen für die Tiere sind auf diesen Langstreckentransporten über die EU-Aussengrenze tagtäglich zu beobachten», beklagt Iris Baumgärtner. Lenkzeitenüberschreitungen, unrealistische Zeitplanungen, falsche Angaben für Versorgungsstopps, fehlende Versorgung mit Futter und Wasser, Überladung mit zu vielen Tieren, unzureichende Stehhöhe, fehlende Einstreu und nicht ausreichend geschulte Fahrer verursachen die Qualtransporte. Verletzte, sterbende, kranke und gebärende Tiere bleiben sich selbst überlassen. Tote Tiere bleiben oft bis zum Zielort auf dem Transporter.

2015 hat der Europäische Gerichtshof in einem Urteil festgehalten, dass die EU-Tiertransportverordnung für Tiertransporte ab dem Abfahrtsort bis zum Zielort gültig und einzuhalten ist, auch wenn dieser in einem Drittstaat liegt. «Diese Transportpraxis ist nicht nur ein systematischer Verstoss gegen die EU-Tiertransportverordnung 1/2005, sondern auch gegen Artikel 13 des Vertrags von Lissabon, nach welchem den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung zu tragen ist», fasst Iris Baumgärtner das Ergebnis der Langzeituntersuchung zusammen.

Hintergrund dieser Transporte ist das Interesse der EU, den Binnenmarkt von Nutztieren zu entlasten, um die Preise stabil zu halten. Nach jahrelangen Verhandlungen hatte die EU es 2010 schliesslich erreicht, dass die Türkei Tiere abnimmt.

«Wir fordern einen Stopp für Langstreckentiertransporte aus der EU in die Türkei. Weder die EU Kommission, die Mitgliedsstaaten, die türkischen Behörden noch die Exporteure und Importeure sind in der Lage für eine rechtskonforme Abwicklung solcher Transporte zu sorgen», erklären die beteiligten Tierschutzorganisationen.