Tierleid am Hafen von Cartagena
Unser Team hat vergangene Woche am Hafen von Cartagena erneut einen Fall von Tierquälerei aufgedeckt. 120 junge Kälber, die als Überbleibsel der Milchindustrie aus Ländern wie Ungarn, Tschechien, Irland und der Slowakei nach Spanien gekommen waren, wurden am Hafen von Cartagena stundenlang in der brütenden Sonne stehengelassen. Die Tiere, die von einer Mästerei in der Region Huesca in Nordspanien nach Cartagena gebracht wurden, waren bereits seit Stunden auf der Straße unterwegs. In Cartagena sollten sie dann in das Frachtschiff Nadera-A umgeladen werden, mit dem Ziel Libyen.
Die Exporteure und die Lastwagenfahrer hatten sich jedoch nicht richtig abgesprochen. So war das Schiff bei der Ankunft der Kälber in Cartagena noch nicht parat. Die Fahrer stellten den Lastwagen auf einem öffentlichen Platz vor dem Hafen ab und gingen in einer nahegelegenen Bar Kaffee trinken. Um diese Jahreszeit kann es in der Region Cartagena schon sehr heiß werden. Wir haben beobachtet, wie die Tiere insgesamt mehr als zehn Stunden in der Hitze im Anhänger ausharren mussten. Erst am Abend wurden sie – zusammen mit etwa 400 weiteren Kälbern und rund 5000 Lämmern – in das Schiff geladen.
Ein systematisches Problem
Der Frachter Nadera-A ist uns bereits früher negativ aufgefallen: Es wurde in den letzten Jahren mehrfach festgehalten, weil die Behörden Mängel, insbesondere bei der Seeverkehrssicherheit, entdeckt hatten.
Der Fall, den wir vergangene Woche beobachtet und dokumentiert haben, ist leider kein Einzelfall. Seit 2018 sind wir immer wieder am Hafen in Cartagena unterwegs und haben schon oft gesehen, wie Tiertransporter vor dem Hafen in Cartagena stundenlang in der brütenden Sonne abgestellt wurden. Besonders im Sommer ist das für Tiere sehr gefährlich. Die Lastwagen sind nicht gut belüftet und wenn sie stehen, entsteht auch kein Fahrtwind.
Cartagena als Drehkreuz für Tierexporte
Der Hafen von Cartagena ist einer der verkehrsreichsten Häfen in ganz Europa. Von dort aus werden Tiere aus fast allen EU-Ländern in Drittländer wie den Libanon, Libyen, Marokko, Algerien, Ägypten, Saudi-Arabien oder Kuwait exportiert.
Der Hafen fällt auch immer wieder mit anderen Tierschutzverstößen auf. So haben wir unter anderem schon beobachtet, wie Tiere während des Verladens ins Meer gefallen sind, wie hochträchtige Tiere bei der Ankunft im Hafen vor lauter Stress geboren haben, wie Tiere, die während des Transports schwer verletzt wurden, ohne medizinische Versorgung auf das Schiff verladen wurden. Auch Tierquälerei beim Ent- und Verladen sind leider keine Seltenheit. Die Lkw-Fahrer und Hafenarbeiter haben großen Druck, die Tiere in kurzer Zeit ins Schiff zu verfrachten. Viele scheuen nicht davor zurück, die Tiere zu schlagen oder zu treten, sie mit elektrischen Viehtreibern zu traktieren oder anders an Bord des Schiffes zu zwingen.
Seit mehr als zehn Jahren dokumentiert unser Team die schrecklichen Folgen für Tiere, die per Lkw und Schiff über lange Strecken in Drittländer transportiert werden. Die Probleme sind systematisch und haben oft tödliche Folgen für die Tiere.
Fehlende Schutzmaßnahmen und politische Verantwortung
Es gibt keine Notfallpläne zum Schutz der Tiere vor extremen Temperaturen, weder beim Straßentransport innerhalb Spaniens noch in den spanischen Häfen, auf dem Seeweg oder am Bestimmungsort.
Dieses Jahr befinden wir uns in einer entscheidenden Phase für den Tierschutz. Die Europäische Kommission arbeitet an einer neuen Verordnung für Tiertransporte auf europäischer Ebene.
Wir sind sehr besorgt über den Ausgang dieser Verordnung, weil die Industrie viel Druck auf die Kommission ausübt. Unter anderem wären gemäß dem Vorschlag Transportzeiten auf dem Seeweg nicht mehr begrenzt. Rechtlich gesehen hieße das, dass der Schiffstransport nicht mehr als Transportzeit gilt und Tiere somit ohne zeitliche Begrenzung übers Meer transportiert werden könnten – Tage, Wochen, sogar Monate!
Forderung: Langstreckentransporte beenden
Wir fordern, dass Spanien als führendes Land in der Mast zusammen mit den übrigen EU-Mitgliedstaaten eine Strategie mit wirksamen Anreizen entwickelt, um Langstreckentransporte von lebenden Tieren einzustellen und durch Fleischprodukte zu ersetzen. Der Export von lebenden Tieren und ihre grausame Schlachtung in Drittländern ist mit den aktuellen Werten der Europäischen Union nicht vereinbar!
Spanisches Radio und Fernsehen berichten über den Fall
In Spanien haben unsere Recherchen die Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen. Unsere Teamkollegin Maria Boada hat im staatlichen spanischen Fernsehen über die Tierquälerei am Hafen von Cartagena berichtet und auch im Radio ein Interview gegeben.
Den Fernsehbericht (auf Spanisch) finden Sie hier.
Den Radio-Mitschnitt (auf Spanisch) können Sie hier nachhören.