Pferdequal für Parmaschinken: Neue Recherche enthüllt systematische Pferdequälereien in isländischer PMSG-Produktion
Der Tierschutzbund Zürich (TSB) und seine Partnerorganisation Animal Welfare Foundation (AWF) haben bei ihrer jüngsten Recherche in Island zum wiederholten Mal massive Tierquälereien aufgedeckt. Für die Herstellung des Fruchtbarkeitshormons PMSG leiden tausende Stuten, die für ihr Blut ausgebeutet werden, auf isländischen Farmen. Obwohl es zahlreiche Alternativen für PMSG gibt und die Schweizer Schweinezüchter freiwillig darauf verzichten, wird das Hormon in der industriellen Schweinezucht in zahlreichen Ländern noch immer grossflächig eingesetzt. So landet es über die Hintertür auch im hiesigen Detailhandel – etwa in Form von Parmaschinken.
Seit 2019 dokumentieren TSB und AWF die grausamen Praktiken auf sogenannten Blutfarmen in Island. Als einziges Land in Europa produziert Island das Fruchtbarkeitshormon PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin), das aus dem Blut trächtiger Stuten gewonnen wird. Über 4200 Islandstuten werden dort auf etwa 90 Blutfarmen gehalten und für ihr Blut ausgenutzt.
Neue Aufnahmen vom September 2024 belegen, dass die Gewinnung von PMSG tierquälerisch ist: Die halbwilden Stuten sind während des Blutentnahmeprozesses massivem Stress und Schmerzen ausgesetzt. Die Aufnahmen der beiden Organisationen zeigen, wie die Tiere geschlagen, mit Stöcken und Brettern gestossen und unter Gewaltanwendung fixiert werden. Die Köpfe der Stuten werden in unnatürlichen Positionen hochgebunden, was zu erhöhten Verletzungsrisiken führt.
„Die Blutentnahmen finden wöchentlich statt über einen Zeitraum von acht Wochen in der frühen Trächtigkeit. Dabei werden den Stuten jeweils fünf Liter Blut abgezapft – ein Volumen, das weit über internationalen Standards liegt. Die Belastung der Stuten ist dreifach: Sie haben ein Fohlen und einen Fötus zu versorgen sowie ihren Blutverlust auszugleichen“, sagt Sabrina Gurtner, Projektleiterin bei TSB und AWF.
Auch die Fohlen der Blutstuten sind Opfer. Viele werden während der Blutentnahme von ihren Müttern getrennt und geraten in Panik. Für derart viele Fohlen gibt es ausserdem keine Nachfrage. Die meisten landen als „Nebenprodukt“ der PMSG-Produktion auf dem Schlachthof.
PMSG auch in Läden in der Schweiz
PMSG wird vor allem in der industriellen Schweinezucht eingesetzt, um Geburten zu synchronisieren und die Produktivität zu steigern. Das kann jedoch auch anders erreicht werden: Tiergerechtere Haltung und Stallmanagement erfüllen denselben Zweck.
In der Schweiz hat sich die Schweinezuchtbranche 2022 nach Enthüllungen von TSB und AWF über dessen Produktion entschieden, freiwillig auf den Einsatz von PMSG zu verzichten. Das zeigt, dass es auch ohne das Qualhormon geht. Doch im Ausland wird PMSG grossflächig eingesetzt. So etwa in Italien, wo das Hormon unter anderem bei der Produktion von Parmaschinken zum Einsatz kommt. Auf diese Weise gelangt das mit PMSG hergestellte Fleisch auch in Schweizer Läden.
„Mehrere Detailhändler räumen ein, dass sie die Verwendung von PMSG bei importiertem Schweinefleisch wie Parmaschinken nicht ausschliessen können. Manche berufen sich dabei auf die gesetzlichen Vorgaben im Ausland, wo PMSG nicht verboten ist, und verweisen auf die hohe Nachfrage nach Parmaschinken“, so Sabrina Gurtner. Damit schieben die Detailhändler die Verantwortung an die Konsumenten ab.
Andere Detailhändler verweisen auf ein irreführendes Schreiben des italienischen Parmaschinkenkonsortiums. Dieses gibt an, kein PMSG bei der Herstellung des teuren Schinkens zu verwenden. Dem Konsortium angeschlossen sind allerdings nur Parmaschinkenhersteller – also Fleischverarbeiter – und keine Schweinezuchtbetriebe.
TSB und AWF fordern den Schweizer Detailhandel auf, mit PMSG hergestelltes Fleisch aus ihren Regalen zu verbannen. Diese Forderung wird unterstützt von fast 4000 Menschen, die sich in einer kürzlich durchgeführten Petition des TSB gegen den Verkauf von mit PMSG hergestelltem Parmaschinken im hiesigen Detailhandel ausgesprochen haben.
Isteka: Einzelfälle oder systematische Missstände?
Das isländische Pharmaunternehmen Isteka produziert als einziges europäisches Unternehmen PMSG. Es erzielte 2024 mit dem Hormon einen Exportertrag von 11,5 Millionen Euro. Das ist der höchste Umsatz in der Unternehmensgeschichte.
Das Unternehmen hat in der Vergangenheit wiederholt behauptet, es handle sich bei den von TSB und AWF dokumentierten Stuten-Quälereien um Einzelfälle. Die neuesten Enthüllungen zeigen jedoch, dass die grausame Behandlung der Tiere System hat. TSB und AWF haben im September 2024 bei allen sechs zufällig ausgewählten Blutfarmen Misshandlungen dokumentiert – teils während Isteka-Tierärzt:innen daneben standen. Seit Jahren verspricht das Pharmaunternehmen Verbesserungen – und doch zeigen sich Jahr für Jahr dieselben Probleme. „Nach über 40 Jahren Blutgeschäft sollte Isteka gelernt haben, dass man halbwilden Pferden nicht gewaltfrei Blut abzapfen kann“, so Sabrina Gurtner.
Die aktuelle Genehmigung für Blutentnahmen von Isteka läuft im Herbst 2025 aus. Da die Blutentnahmen dort seit Neuem in der Tierversuchsverordnung geregelt werden und sie die Voraussetzungen für Tierversuche nicht erfüllen, besteht aktuell die einmalige Chance, dass das Blutgeschäft beendet werden kann. Dafür kämpfen TSB und AWF zusammen mit internationalen und isländischen Nichtregierungsorganisationen.
Forderung nach Verbot auch auf Gesetzesebene
Doch es ist wichtig, dass auch die Schweiz ihren Beitrag leistet, damit dieses tierquälerisch hergestellte Hormon, für das zahlreiche Alternativen existieren, endlich nicht mehr eingesetzt wird. Das selbstauferlegte Verbot von Suisseporcs und dem Schweizer Bauernverband reicht nicht, denn es kann jederzeit rückgängig gemacht werden. Stattdessen braucht es ein gesetzliches Verbot der Gewinnung, Nutzung und Einfuhr von PMSG.
AWF und TSB werden weiter dafür kämpfen, ein solches Verbot in der Schweiz durchzusetzen. „Unser Land gibt sich gerne als besonders vorbildlich in Sachen Tierschutz. Ein PMSG-Verbot wäre eine gute Möglichkeit, diese Tierfreundlichkeit unter Beweis zu stellen“, so Sabrina Gurtner.